Tübinger Initiative gegen die geplante
Bioethik-Konvention
Dr. Rolf J. Lorenz, Erlenweg 40, 72076 Tübingen Tel.: 07071-600111;
FAX: 07071-930479
Viele Fragen. Die Antworten lassen auf sich warten
Vom mühsamen Dialog der Bioethik-Kritiker mit hochrangigen Vertretern
der EKD
Der Dialog der Bioethik-Kritiker mit führenden Kirchenmännem und
-frauen verlangt einen langen Atem. Das zeigen die jüngsten Bemühungen
um ein offenes Gespräch und den Austausch von Informationen und Argumenten.
Worauf sich der Vizepräsident des EKD-Kirchenamtes, Dr.Barth, und der
Bioethik-Kritiker Dr. Ulrich Bach nach einem intensiven Streitgespräch
einigen konnten, ist an anderer Stelle dieses Zirkulars nachzulesen und stellt
sich der öffentlichen Diskussion. Was das Fazit der ersten 'Konsultation'
der Bioethik-KritikerInnen Wilma Kobusch ('Bürger gegen Bioethik',
Sprachwissenschaftlerin in Gelsenkirchen), Prof. Dr. Grewel (Theologe an
der Uni Dortmund und Synodaler der EKvW) und Andreas de Kleine (Solidarische
Kirche im Rheinland/Wuppertal, Kampagne 'Charta für das Leben') mit
dem Ratsvorsitzenden der EKD, dem rheinischen Präses Manfred Kock, sein
wird, ist zur Stunde noch offen. Der Entwurf eines Ergebnisprotokolls aus
dem Düsseldorfer Landeskirchenamt - dem Ort der Begegnung - liegt noch
nicht vor; öffentliche Stellungnahmen der Kritikerlnnen und Bewertungen
wären - pacta sunt servanda - zu diesem Zeitpunkt verfrüht. Es
greift solcher Stellungnahme nicht vor zu unterstreichen: Nebst handfesten
Dokumenten aus dem Archiv Kobusch lagen handfeste Fragen in Düsseldorf
auf dem Tisch:
-
Die EKD teilt in ihren jüngsten Stellungnahmen zum Konventionsentwurf
einige der wesentlichen Bedenken der Konventionskritik. Im Gegensatz zu EKiR,
EKvW, DW, Betroffenen-Verbänden, Bündnis für Menschenwürde,
Bürger gegen Bioethik u.a. verneint die EKD aber die zwingende Konsequenz
einer Ablehnung des Abkommens. - Wir fragen uns: Von welchen
- offenbar übergeordneten - Interessen hat sich der Rat bei seiner
diesbezüglichen Entscheidung am 20/21. März 1998, also unmittelbar
vor der Anhörung des Rechtsausschusses im Deutschen Bundestag leiten
lassen? Warum kann sich der Rat der EKD die einleuchtenden
Ablehnungsbegründungen von DW und EKiR nicht zu eigen machen? Warum
verzichtet der Rat der EKD ohne Not auf eine eindeutige Orientierungshilfe
für die Politik und legt die Entscheidung über das Vertragswerk
in die alleinige Verantwortung der Parlamentarier?
-
Seit die Diskussion über die 'Bioethik-Konvention' öffentlich
geführt wird, sind zahlreiche Informationen und Dokumente über
den transatlantischen Kontext des Abkommens, über seine Initiatoren,
deren Zielsetzungen und Intentionen bekannt geworden. Die Risiken der Konvention
sind in zahlreichen Appellen auch der EKD und ihren Gliedkirchen vorgetragen
worden. Wilma Kobusch hat der EKD über Frau Dr. Tempel bereits
frühzeitig Dokumente zugänglich gemacht, die geeignet waren, den
für Menschenwürde und Menschenrechte bedrohlichen Charakter des
geplanten Abkommens zu belegen und zu groáer Vorsicht zu mahnen. -
Wir fragen uns: Sind konventionskritische Informationen und Dokumente
in den Beratungsgremien der EKD wahrgenommen und diskutiert worden? Wenn
ja: warum hat eine solche Auseinandersetzung mit dem Geist und den Buchstaben
des geplanten Abkommens kaum merklichen Spuren hinterlassen in den
Verlautbarungen und Beschlüssen der EKD zur
'Bioethik-Konvention'?
-
Einerseits hat die EKD die unüberhörbaren Warnungen der Betroffenen
und ihrer Verbände, den breiten Widerstand an der inner- und
auáerkirchlichen Basis, die kritischen Expertisen von kirchlichen
Wissenschaftlern, die Beschlüsse von Kreis- und Landessynoden,
schließlich die Ablehnung der Konvention durch EKiR und DW zur Kenntnis
nehmen müssen. Andererseits hat die EKD z.B. über das kirchliche
'Zentrum für Gesundheitsethik' in Loccum, als Miteigner des DS und als
Herausgeber der Handreichung 'Einverständnis mit der Schöpfung'
zugunsten einer gesellschaftlichen Akzeptanz der 'Bioethik-Konvention' in
den innerkirchlichen und den gesamtgesellschaftlichen
Meinungsbildungsprozeá eingegriffen. - Wir fragen uns: Worauf
gründet die EKD ihr Mandat zur öffentlichen Parteinahme für
die Bioethik, die Biotechnologien und ihre Kodifizierung in der
Bioethik-Konvention, in der UNESC0-Erklärung zum Human-Genom, in den
Patentierungsrichtlinien des Europarates? Hat die EKD im Vorfeld solcher
Voten das Vertragswerk in all seinen zugänglichen Teilen in der gebotenen
Intensität und Gründlichkeit von Juristen, Verfassungsrechtlern,
von unabhängigen theologischen und medizinischen Sachverständigen
auf 'Herz und Nieren' prüfen und bewerten lassen?
-
Kirchenvertreter waren von Anfang an involviert in den vertraulich
geführten Diskurs mit den Protagonisten der Konvention und Bonner
Kabinettsmitgliedern. Kirchenvertreter verweigerten die öffentliche
Erörterung des Konventionsentwurf mit besorgten Kritikern, hatten sich
aber zu vertraulichen Erörterungen mit ihnen zugänglichen
Parlamentariern bereiterklärt. Eine EKD-Vertreterin untersagte die
publizistische Auswertung von Mitschnitten ihrer Statements aus einer
öffentlichen Diskussionsveranstaltung zur Konvention in einem 'Haus
der Kirche'. Kirchliche Einrichtungen beteiligen sich an hochkarätigen
Meinungsbildungsmaánahmen von Wirtschaft und Politik, Kirchenvertreter
setzen die 'vertrauliche Diplomatie' am Beispiel der 'Sterberichtlinien'
der Bundesärztekammer fort. - Wir fragen uns: Wessen Interessen
fühlt sich eine so agierende Kirche verpflichtet? Wie vertragen sich
solche Bemühungen um die Teilhabe an und die Nähe zur Macht mit
dem Versprechen, 'Kirche an der Seite der Schwachen' sein zu wollen? Wie
bringt Kirche ihren ureigenen Auftrag als Kirche Jesu Christi in
glaubwürdigen Einklang mit ihrer gesellschaftspolitischen
Praxis?
Es wird Sie nicht überraschen: Die meisten Antworten lassen auf sich
warten. - Mehr dazu im nächsten Zirkular.
Das Ergebnis eines Gespräches zwischen dem Theologen
Dr. Ulrich Bach und dem Vizepräsidenten des Kirchenamtes der EKD, Dr.
Hermann Barth, das Ende April 1998 stattfand.
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