Tübinger Initiative gegen die geplante Bioethik-Konvention

Dr. Rolf J. Lorenz, Erlenweg 40, 72076 Tübingen Tel.: 07071-600111; FAX: 07071-930479

3. März 1998

11. Zirkular

Sehr geehrte Damen und Herren

die Bonner Bioethik-Szene hat sich in Bewegung gesetzt! Dieses Zirkular befaßt sich mit der Chronologie der bisherigen und der in näherer Zukunft zu erwartenden Ereignisse, mit einer Kommentierung dieser Ereignisse und mit der Frage: Was tun?

Chronologie.

18.12.1997: 57 Abgeordnete von CDU/CSU, SPD und B90/Die Grünen (Robert Antretter u.a.) legen eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung zum "Schutz einwilligungsunfähiger Menschen bei Forschungsvorhaben" vor. Mit 19 konkreten Einzelfragen wollen sie wissen, welche Schutzkriterien einer nationalen gesetzlichen Regelung bedürfen und inwieweit Kinder, Menschen mit Behinderung, Kranke und Komapatienten vor fremdnützigen Eingriffen und Versuchen geschützt werden. Es handelt sich um eine genaue Auflistung aller Detailprobleme, die im Mittelpunkt der öffentlichen Kontroversen der vergangenen drei Jahre über den Artikel 17 der Konvention gestanden haben.

05.01.1998: Das BM der Justiz legt die schriftliche Antwort vor. Diese besteht aus der Wiederholung all jener stereotypen Formulierungen, die aus früheren Sachstandsberichten hinlänglich bekannt sind. Selbst die dort bereits vorgebrachte Ankündigung der Klärung noch offener rechtlicher Fragen wird nur wiederholt. Mit Erstaunen nimmt man wahr, daß die Regierung in den Fragen, für die sie selbst Handlungsbedarf angemeldet hat, bisher entweder keinen Finger gerührt hat oder ihr Geheimnis vorerst für sich behalten wi11.

05.02.1998: das BMJ veröffentlicht die schon im Frühjahr 1997 angekündigte Aufklärungsschrift unter dem Titel "Das Übereinkommen zum Schutz der Menschenrechte..... - Informationen zur Entstehungsgeschichte, Zielsetzung und Inhalt". Im Anhang befindet sich die ebenfalls längst überfällige verbindliche deutsche Übersetzung des Übereinkommens, die im Einvernehmen mit Österreich und der Schweiz erarbeitet wurde.

(Die 42 Seiten starke Broschüre kann kostenlos (auch in größeren Sückzah1en) angefordert werden beim Referat für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit beim BMJ, Heinemannstr.6, 53175 Bonn, Tel. 0228/58(0)-4030, Fax: 584066, http://www.bmj.bund.de).

05.02.1998: Im Bonner "Wasserwerk" findet eine Veranstaltung "Bündnis für Menschenwürde" statt, zu der 14 Mitglieder der überfraktionellen Abgeordneteninitiative "Menschenrechtskonvention des Europarates zur Biomedizin" eingeladen hatte. Zahlreiche Bürgerinitiativen, Sozial- und Behindertenverbände, Einrichtungen der Behindertenhilfe und andere Organisationen waren erschienen, um die Gelegenheit zu nutzen, miteinander und mit Abgeordneten zu reden und erstmals zusammen in der Öffentlichkeit aufzutreten. Rita Süßmuth sprach ein Grußwort. Mehr über diese Veranstaltung weiter unten!

10.02.1998: 37 Abgeordnete aus CDU/CSU, SPD und F.D.P. (Peter Altmaier, Wolf-Michael Catenhusen ...) bringen einen Entschließungsantrag im Bundestag ein, in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, das "Menschenrechtsübereinkommen zur Biomedizin" zu unterzeichnen.

Der Text dieses Antrages - sowie ein Kommentar dazu ("Eine schwache Vorstellung") von Jobst Paul - liegt diesem Zirkular als Anlage bei.

17./18.02.1998: Fachforum "Menschen mit Behinderungen in der biornedizinischen Forschung und Praxis" im Wissenschaftszentrum Bonn, veranstaltet vom "Arbeitskreis zur Erforschung der Geschichte der Euthanasie und der Zwangssterilisation" und der "Bundesvereinigung Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung e.V." Schirmherrschaft: Frau Prof. Süßmuth. Ein Tagungsband ist angekündigt. Siehe auch weiter unten!

25.03.1998: Öffentliche Anhörung von Experten im Bundestags-Rechtsausschuß im SPD-Fraktionssaal F12 im Hochhaus gegenüber dem "Langen Eugen", Beginn: 11 Uhr. Jedermann kann als Zuhörer teilnehmen, Anmeldung ist nicht erforderlich (1t.Auskunft des Ausschuß-Sekretariats). Personalausweis mitbringen! Rückfragen unter Tel.. 0228-6 22 430.

26. bis 28.03.1998: Tagung "Die Würde des Menschen ist unantastbar - Gegen den Zugriff der Bioethik auf das Leben" in der Stadthalle Kassel. Veranstalter sind 6 Bundesverbände für Behinderte /Lebenshilfe; Schirmherrin: Dr. Antje Vollmar. Anmeldung bei der "Bundesvereinigung Lebenshilfe", Raiffeisenstr. 18, 35043 Marburg.

xx.xx.1998 (?): Abschließende Beratung im Rechtsausschuß auf Grund der Anhörung am 25.März mit dem Ziel,dem Bundestag eine Empfehlung für seine bevorstehenden Beratungen zu geben. Der Termin dürfte frühestens in die 14.Woche fallen.

xx.xx.1998 (?): Beratung im Bundestag mit dem Ziel der Abstimmung über den Entschließungsantrag (Altmaier, Catenhusen u.a.) vom l0.Februar. Dies könnte allerfrühestens ebenfalls noch in die 14.Woche fallen, wahrscheinlicher sind jedoch die 17. und 18.Woche. Eine noch spätere Behandlung des Themas im Bundestag wird für wenig wahrscheinlich gehalten, da der Wahlkampf dann bereits hohe Wellen schlagen dürfte.

02.04.1998; 23 Uhr: Der Bayerische Rundfunk strahlt über das ARD-Fernsehen einen neuen Dokumentationsfilm von Silvia Matthies über Experimente an einwilligungsunfähigen Menschen aus (genaues Thema ist noch nicht bekannt).

Eine Ratifizierung des Übereinkommens noch vor der Bundestagswahl im September 1998 ist nicht beabsichtigt! (Mitteilung des Rechtsausschusses an die Tübinger Initiative vom 30.12.1997)

Kommentar.

Alle Zeichen sprechen dafür, daß die Befürworter eines deutschen Beitritts zur "Bioethik-Konvention" jetzt alles daran setzen, um in dieser Legislaturperiode wenigstens die Unterzeichnung durch die Bundesregierung zuwege zu bringen. Das Ratifizierungsverfahren (Bundestag und Bundesrat!) auch noch unter Dach und Fach zu bringen, hat wegen des schon begonnenen Wahlkampfes und aus Zeitgründen hingegen ohnehin keine Chance.

Aus dieser Not wird nun geradezu eine Tugend gemacht, indem man den noch unentschlossenen Abgeordneten (die große Mehrheit!) nicht nur das Übereinkommen selbst, sondern auch die Strategie "Unterzeichnen jetzt - Ratifizieren später" so schmackhaft wie möglich zu machen sucht. Die Rechnung könnte sogar aufgehen, denn die Unterzeichnung würde es Deutschland ermöglichen, an den weiteren Protokollen mitzuarbeiten. Also gaukelt man vor, daß dadurch auch die Konvention selbst noch verbessert werden könnte. Dieser Gedanke, würde er denn stimmen, wäre sicher für viele Abgeordnete attraktiv: Deutschland würde sich Eingriffsmöglichkeiten offen halten, und wenn es doch schief geht, kann man bei der Ratifizierung immer noch Nein sagen.

Nach Meinung von Rita Süßmuth (geäußert bei der Veranstaltung am 18. Februar in Bonn), die selbst gegen die Konvention in ihrer jetzigen Form ist, neigen im Augenblick mehr Abgeordnete zur Unterzeichnung als dagegen.

In der Tat klingt der Entschließungsantrag für Menschen, die sich mit den vielfältigen Fußangeln des Konventionstextes nicht intensiv auseinandergesetzt haben, ansprechend! Auch die Aufklärungsbroschüre des BMJ, die für viele Abgeordnete jetzt zur (einzigen!) "authentischen" Quelle ihres Studiums des Gesamtproblems werden dürfte, vermeidet sorgfältig alle Problematisierungen, die dem Leser zu Stolpersteinen werden könnten. Nach dieser Lektüre sieht der Leser eigentlich keinen Grund, einer Unterzeichnung seine Zustimmung nicht zu geben.

Selbst die "verbindliche" deutsche Übersetzung, die seit Februar vorliegt, ist zu einem stark parfümierten Text geraten. Ein Beispiel: In Artikel 16 heißt es unter der Bedingung IV im englischen Text: "the persons undergoing research have been informed.....". Die vorläufige deutsche Übersetzung des BMJ vom 19.11.96 sagt dazu: "die Personen, an denen Forschung vorgenommen wird,..." Die neue, für alle deutschsprachigen Länder verbindliche Version, aber sagt es so: "die Personen, die sich für ein Forschungsvorhaben zur Verfügung gestellt haben

Schamloser geht es kaum! Prof.Dietmar Mieth, Sprecher des "Zentrums für Ethik in den Wissenschaften" an der Universität Tübingen, tat recht daran, bei der Veranstaltung am 5.Februar in Bonn auf Grund anderer sprachlicher Mißgriffe die Empfehlung auszusprechen, sich künftig nur noch auf die international verbindliche englische (oder französische) Version zu beziehen.

Einer der wendigsten Verfechter der Strategie "Unterzeichnen jetzt Ratifizieren später" ist Wolf-Michael Catenhusen, stellvetretender Geschäftsführer der SPD-Fraktion. Er preist Deutschland als Vorreiter beim aktiven Schutz der Menschenwürde auf dem Gebiet der Biomedizin.

Im Oktober 1996, also zu einer Zeit, da die Konvention bereits ihre Endform angenommen hatte, unterzeichnete er schon einmal einen überfraktionellen Entschließungsantrag. Darin hielt er die Konvention trotz mancher Verbesserungen immer noch nicht für verabschiedungsreif und beschwor insbesondere die Problematik des "Rutschbahneffektes". Das Übereinkommen kann wegen der Konkurrenz der Forschungsstandorte den Druck erhöhen, ethische Standards bei der Forschung und Anwendung von Biologie und Medizin weiter nach unten anzugleichen. Das ist nun alles vergessen! am l0.Februar schreibt er in einer Presse-Erklärung: "Eine Unterzeichnung ... verändert unsere Gesetzgebung nicht". Und weiter:

"Hilflos wird auf Dauer der Versuch bleiben, den deutschen Konsens durch Rückzug in die Wagenburg, durch Abschottung und Abgrenzung sichern zu wollen. Wer glaubt, Deutschland in den Abwehrkampf gegen ein eugenisches Europa führen zu müssen, wird dazu beitragen, daß Deutschland vom Vorreiter zum Außenseiter im Prozeß der Ausbildung eines europäischen Rechtsbewußtseins wird."

In der kürzlich vom Bayerischen Fernsehen ausgetrahlten Sendung "Kind nach Maß" sagt Frau Prof. Ruth Hubbard, emeritierte Biologie-Professorin in Harvard und Mitglied eines Ethic Board:

"lch denke, gerade Deutschland hat auf Grund seiner Geschichte eine ganz besondere Verantwortung. Und ich denke, daß es besonders wichtig ist, daß die Deutschen nicht vergessen, was damals geschehen ist, und daß sie auch den Rest der Welt daran erinnern, denn diese Menschen vergessen das wahrscheinlich, wenn sie es jemals gewußt haben. Daher müssen sie ständig daran erinnert werden, daß so wichtige Entscheidungen, wenn sie denn erlaubt werden, einem aus den Händen gleiten können".

Catenhusens abrupter Schwenk ist nicht mehr so unverständlich, wenn man weiß, daß er einer der parlamentarischen Vertrauensleute der deutschen Forschung ist. Und diese will das Übereinkommen!

*

Von den beiden Bonner Tagungen können hier nur einige der vielen Beiträge erwähnt werden. Besonders wichtig erscheint uns der Vortrag des Vorsitzenden der "Deutschen Gesellschaft für Gerontopsychiatrie und -psychotherapie e.V." (DGGPP), Prof.Dr.Dr.Rolf Hirsch, am 5.Februar. In wiederholten Stellungnahmen hat sich die DGGPP gegen Art.17(2) gewandt. Hier ein Auszug aus der jüngsten Stellungnahme:

Unbestritten ist das Wissen über Ursachen, Risikofaktoren, Verlauf, Behandlungsmöglichkeiten und Prävention der Demenzen noch unzureichend. Ob dieses allerdings nachhaltig durch Forschung an nicht einwilligungsfähigen Demenzkranken überhaupt wesentlich vermehrt werden kann, ist bisher - trotz gegenteiliger Behauptung mancher Wissenschaftler - nicht erwiesen.

Eine wesentliche Bereicherung an Wissen über die Früherkennung dieser sehr schweren Erkrankungen - darüber sind sich alle Wissenschaftler einig - ist notwendig. Betont wird, daß die Behandlungsmöglichkeiten frühzeitig eingesetzt werden müssen. Da über lange Zeit des Krankheitsverlaufs auch Demenzkranke - natürlich je nach Demenzform unter Berücksichfigung der inter- und intraindividuellen Schwankungsbreite - einwilligungsfähig sind, sollten Forschungen primär bei diesen unter Einhaltung der Rechtsvorschriften durchgeführt werden. Diese Möglichkeit wird derzeit viel zu wenig genutzt.

Natürlich gibt es auch Personen, die an anderen psychischen Störungen wie z.B. einer schweren chronischen Depression leiden und aufgrund ihrer Psychopathologie nicht einwilligungsfähig sind. Für diesen Personenkreis, der selten Erwähnung findet, gilt entsprechendes.

Zu prüfen ist, ob das Betreuungsrecht durch den Gesetzgeber so verändert werden soll, daß ein Betreuer mit Genehmigung des Gerichts bei einer einwilligungsunfähigen Person sein Einverständnis zur Forschung geben kann. Das Betreuungsrecht wurde für den Betreuten geschaffen. Eine diesbezügliche Verwässerung könnte eine mißbräuchliche Anwendung fördern.

Sicherlich können keinem Forscher unethische Interessen unterstellt werden. Dennoch solite keine Ethik-Kommission ohne in der praktischen Krankenversorgung tätige Ärzte und/oder Vertreter von Selbsthilfe-Verbänden (möglichst kein ärztlicher Vertreter) gebildet werden.

Da überwiegend von der Pharma-lndustrie biologische Forschungsvorhaben unterstützt werden und diese naturgemäß auch Drittinteressen haben, sollte mehr Transparenz über deren Zulässigkeit und Durchführung geschaffen werden.

Die Forschung über Demenzen ist fast ausschließlich organisch orientiert. Da bekannt ist, daß auch nichtorganische Faktoren wie z.B. psychosoziales Umfeld, inter- und intrapsychische Belastungen zur Auslösung einer Demenz beitragen können, sollte eine rein biologisch orientierte Forschung nicht Priorität haben. Zudem sollten Forschungsvorhaben bei dem im Artikel 17 (2) genannten Betroffenen diese Bereiche einbeziehen.

Die im Artikel 17 (2) gemachten Ausführungen über Forschung an nicht einwilligungsfähigen Personen, "deren erwartete Ergebnisse für die Gesundheit der betroffenen Personen nicht von unmittelbarem Nutzen sind" und die hierzu gemachten Einschränkungen (17 [1] und [2]) verringern einen möglichen Mißbrauch, schließen ihn aber nicht aus. Daher kann dieser Artikel in der derzeitigen Fassung nicht akzsptiert werde

Bonn, 5. Februar 1998

Vorsitzender der DGGPP

Prof. Dr. Dr. R. D. Hirsch


Damit hebt sich die DGGPP deutlich von den Forderungen von Helmchen und Lauter ab, die sie in ihrem Buch "Dürfen Ärzte mit Demenzkranken forschen?" (1995) dargelegt haben.

Die ausführlichen Stellungnahmen der DGGPP können angefordert werden von

Prof.Dr.Dr.Rolf D.Hirsch
Rheinische Kliniken
Kaiser-Karl-Ring 20

53111 Bonn

Tel.: 0228/551-2204 Fax: 0228/551-2262.


Ferner möchten wir die Einschätzung der Konvention in rechtlicher Hinsicht durch den Gießener Professor für öffentliches Recht, Wolfram Höfling, erwähnen, die er bei der Tagung am 17./18.Februar in Bonn gegeben. Wir  verwenden den Tagungsbericht in der FRANKFURTER RUNDSCHAU vom 19.02.98.

Einheitlichen Schutz menschlichen Lebens vermißt

Experten schlagen Nein zur Bioethik-Konvention vor / Wider das "Maschinenmodell"

Von Michael Emmrich (Bonn)

"Im Interesse von Menschenrechten und -würde sollte Deutschland die Bioethik-Konvention des Europarates nicht unterschreiben", empfiehlt Wolfram Höfling. Der Gießener Rechtsprofesor sprach beim zweitägigen Fachforum "Menschen mit Behinderungen in der biomedizinischen Forschung und Praxis" in Bonn.

Die Bioethik-Konvention, die in "Menschenrechtsübereinkommen" umgetauft wurde, steht nicht in der 'Tradition der Europäischen Menschenrechtskonvention, unterstrich der Jurist. Denn sie sieht keine Klagemöglichkeit von Individuen gegen Bestimmungen des Textes vor. Den neuen Namen vermeide er deshalb bewußt. Laut Höfling befindet sich die Konvention zwar "nicht auf prinzipiellem Kollisionskurs mit der deutschen Verfassung, weil strengere nationale Regelungen erst einmal unberührt bleiben. Die Gefahren seien dennoch subtil angelegt.. Schon die Begriffswahl, sagte Höfling, sei "wenig vertrauenerweckend, weil es kein einheitliches Schutzniveau für alle Formen menschlichen Lebens gebe. Zudem fehle ein Datenschutz für Gentestergebnisse. Die Rechte des einzelnen würden weiter durch Bedürfnisse von Gesundheitspolilik und öffentlicher Sicherheit eingeschränkt. Eine "kaum absehbare verfassungsrechtliche Tragweite" liege in der erlaubten Embryonen-Selektion, wenn eine schwere Krankheit an das Geschlecht gebunden sei. Dies sei genetische Diskriminierung und setze zugleich die in Deutschland verbotene Präimplantationsdiagnostik (PID) voraus. Damit werden Embryonen untersucht und weggeworfen, falls ein Gendefekt vorhanden ist.

In der Konvention wird die Forschung an Embryonen erlaubt, gleichzeitig aber ihr adäquater Schutz verlangt. "Die Forschung ist aber alles andere als im Sinne der Embryonen", werden sie in der Regel doch dabei vernichtet, warnte Höfling. Die Bundesregierung rede dies an der Realität vorbei schön. Auch das Verbot der Manipulation von menschlichen Geschlechtszellen sei nur "ganz vage formuliert". Und die Erlaubnis, an einwilligungsunfähigen Menschen ohne Nutzen für diese zu forschen, relativiere die ohnehin wenigen Hemmnisse. Die Konvention werde deshalb Druck auf deutsche Regelungen erzeugcn. Es sei eine "trügerische Hoffnung", mit der Konvention das deutsche Niveau aufrechterhalten zu können. "Wo Menschenrechte draufsteht, ist nur Bioethik drin", resümierte deshalb Ingrid Körner von der Lebenshilfe für geistig Behinderte. Dies habe aber nichts mit Forschungsfeindlichkeit zu tun.

Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth (CDU), Schirmherrin der Tagung, bekannte: "Ich gehöre zu den Kritikern der Konvention." Es treibe sie die Sorge um, wohin anfangs nur kleine Versuche an Menschen schließlich führten. Sie regte eine Enquete-Kommission des Bundestages an, die sich mit den Grundsatzproblemen der Biomedizin befassen solle.

Der Dortmunder Professor für Evangelische Theologie, Hans Grewel, kritisierte das Ethik-Konzept, das hinter der Konvention steht. Es begreife den Menschen als Maschinenmodell und unterstütze das technisch Machbare und ökonomisch Gewollte. Ethik müsse aber nach den Grenzen verantwortbaren Handelns fragen. Wer sich gegen diese Biotechnologie-Ethik wende, müsse sich aber von den Versprechen des "Überlebens um jeden Preis" verabschieden.

Grewel sprach sich deshalb für eine "Umkehr" aus und den "Verzicht auf Forschung, die Leben verzweckt und verbraucht". Dazu gehöre die Embryonenforschung, die PID und das Klonen - auch von Tieren, weil es nur die Vorstufe für die Anwendung beim Menschen sei. Über den Verzicht der künstlichen Befruchtung müsse ebenfalls nachgedacht werden, weil sie immer mehr zur Selektion von Embryonen führe. Leiden an Kinderlosigkeit sei kein medizintechnischcs Problem.


Was tun?

Die geschilderte Situation schreit danach, auch weiterhin (und massiv) auf die Abgeordneten in den Wahlkreisen einzuwirken! Wenn es zu einer Abstimmung im Bundestag über den Entschließungsantrag kommt, wird sie namentlich, d.h. ohne Fraktionszwang, sein. Die Ergebnisse werden von der Bundestagsverwaltung veröffentlicht (namentlich!). Wir werden für die Verbreitung der Liste sorgen und eine groß angelegte Kampagne einleiten. Sie sollten also Ihren lokalen Volksvertretern glaubwürdig ankündigen, daß Sie einem Abg., der für die Unterzeichnung votiert, Ihre Stimme im September nicht geben werden. Eine Verschärfung wäre, daß Sie auch eine Partei, deren Abgeordnete zur Unterzeichnung beitragen, nicht für wählbar halten.

Schicken Sie solche Ankündigungen (mit möglichst vielen Unterschriften!) vor allem auch an alle Fraktionsvorsitzenden. Diese sind: Dr. Wolfgang Schäuble (CDU/CSU), Rudolf Scharping (SPD), Kerstin Müller (890/Die Grünen) und Dr. Hermann Otto Solms (F.D.P.). Anschrift jeweils: Bundeshaus, 53113 Bonn. Und nicht zu vergessen: Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl, Adenauerallee 139-141, 53113 Bonn.

Handeln Sie sofort! Der maximal mögliche Effekt wäre, daß sie wegen der Unwägbarkeiten des Wahlkampfes doch noch davon ablassen, den Bundestag jetzt überhaupt noch damit zu befassen. Eine solche Chance, daß Wähler ihre einzige Waffe auch wirksam einsetzen können, wird nicht oft geboten.

Ich grüße Sie!

(gez. Rolf Lorenz)