Frankfurter Rundschau, 2. Mai 1998
Beratung nicht mehr vor der Bundestagswahl / Befürworter konnten sich mit schnellem Verfahren nicht durchsetzen
Von Michael Emmrich (Frankfurt a. M.)
Der Versuch, die umstrittene Bioethik- Konvention des Europarates (ER) noch in diesem Sommer durch den Bundestag zu bringen, ist gescheitert. Das deutsche Parlament wird sich nun frühestens 1999 mit dem Text der Bioethik-Konvention befassen. Die Gegner feiern deshalb eine 'Beerdigung erster Klasse'. Der Text ist in die Kritik geraten, weil er Forschung an Menschen ohne deren Zustimmung und Experimente mit Embryonen erlaubt, keinen Datenschutz für Gentest-Resultate enthält und das Klonen von Menschen nur teilweise untersagt. Gegner wie der SPD-Abgeordnete Robert Antretter glauben nun, daß die Konvention in Deutschland auch endgültig durchfallen wird. In den vergangenen Monaten hatten sich Kritiker und Befürworter über die Parteigrenzen hinweg hinter zwei interfraktionellen Anträgen versammelt. Rund 120 Unterschriften dafür, zirka 160 dagegen wurden bisher geleistet. Weil die Fraktionen sich nicht einig sind, kommt die für diese Tage anvisierte Debatte nicht auf die Tagesordnung. Der SPD-Wissenschaftsexperte Wolf-Michael Catenhusen, der für die Unterzeichnung des Papiers plädiert, sieht damit für diese Wahlperiode 'die letzte Chance' vertan. Die Grünen hatten sich bei ihrem Parteitag einstimmig gegen die Konvention ausgesprochen; die SPD debattiert seit Monaten kontrovers. CDU/CSU und FDP dagegen, sagt Catenhusen, hätten die Diskussion intern nicht ausgehalten und deshalb jetzt einen Rückzieher gemacht. Nach FR-Infonnationen hat sich Justizminister Edzard Schmidt-Jortzig in der FDP mit seinem Werben für eine rasche Zustimmung gegen Kritiker wie Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Burkhard Hirsch und Klaus Kinkel nicht durchgesetzt und eine 'Niederlage' erlitten. Wolf-Dietrich Trenner von der Fördergemeinschaft für Taubblinde glaubt, daß die Befürworter derzeit keine Durchsetzungschancen für die Bioethik-Konvention sehen. Die Verbände der Betroffenen hätten viel Druck ausgeübt, und in der CDU wirke sich jetzt aus, daß Bundeskanzler Helmut Kohl der Konvention offenbar reserviert gegenüberstehe. Die Informations- und Aufklärungsarbeit der Verbände zeigt Wirkung, freut sich der Kritiker Hubert Hüppe (CDU). Einige Unterzeichner des Pro-Antrages hätten schon die Seiten gewechselt, weitere es angekündigt. Hüppe: 'Das bröckelt.' Im Gespräch mit der FR wertet Sabine Leutheusser-Schnarrenberger die Erarbeitung einer Biomedizin-Konvention als prinzipiell positiv, weil viele Länder gar keine Regelungen hätten. Inhaltlich stelle sie dem Papier derzeit aber 'eher sehr distanziert' gegenüber. Der SPD-Abgeordnete Antretter sieht mehr als nur einen 'Etappensieg'. Die Kritiker hätten sich gegen 'die Übermacht' der Industrie- und Wissenschaftslobby durchgesetzt. Rund 2,5 Millionen Unterschriften seien gegen die Konvention gesammelt worden. Deutschland stehe mit seiner Kritik nicht alleine. Von 40 ER-Staaten hätten erst 22 den Text gezeichnet. Ein Nein zur Bioethik-Konvention, betont Antretter, wäre ein 'gutes Beispiel für den Schutz der Menschenwürde'. Der Sozialdemokrat rügt deshalb die Haltung der Kirchen. Die 'gewünschte Orientierung' in Menschenrechtsfragen sei ausgeblieben. Auch Wolf- gang Wodarg (SPD) betont: 'Die Kirchen haben schmählich versagt' und 'unverständliche Weichheiten' von sich gegeben. Als 'logische Konsequenz' fordert Wodarg nun ein klares Nein zur Konvention und ein nationales 'Forschungsbegleitgesetz'.